Wir glauben gewöhnlich, gute Argumente für unser Handeln zu haben. Wir finden auch jederzeit rationale Begründungen für das, was wir tun. Doch unser Verhalten hat gewöhnlich wenig mit wirklicher Rationalität zu tun. Genauso wenig wie wir wissen, warum bestimmte Gedanken in uns auftauchen, wissen wir auch nicht wirklich, warum wir etwas sagen oder tun.
Unser Geist agiert auf zwei Ebenen:
Die Art, wie wir Voreinstellungen bilden und diese dann rationalisieren, ist sehr subtil:
Doch grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass die betreffende Einstellung das Ergebnis ausschließlich rationaler Überlegung ist: 'Ich habe darüber gut nachgedacht'.
Doch so ist es nicht wirklich. Man hat nur die rationale Ebene des Geistes als Werkzeug seiner Emotionen benutzt. Ein Grossteil unserer logischen Gedanken ist nicht so logisch, wie wir gerne glauben. Man findet mit seiner Argumentation genau zu den Ergebnissen, die man gerne bestätigt sehen will, denn die Emotionen 'treiben' zu genau dieser Art von Schlussfolgerungen. Anders ausgedrückt: man folgt einer emotional motivierten 'selektiven Argumentation'.
Das kann beispielsweise deutlich sichtbar werden, wenn man den Ablauf eines Streits zwischen zwei Personen als neutraler Zuschauer beobachtet.
Angenommen, ich habe den starken Wunsch, eine bestimmte Vorstellung oder Idee durchzusetzen, stoße aber bei anderen auf Widerstand:
Hier wird die innere Intelligenz wird nur selektiv genutzt. Buddhi, die innere Instanz klarer Unterscheidung, Erkenntnis und Entscheidung ist in diesem Fall völlig von den dominierenden Emotionen überlagert. Diese Art Rationalität maskiert nur die emotional motivierten Antriebe und Bedürfnisspannungen.
Man muss wirklich tief in sich hineinschauen und in sich selbst forschen, um zu erkennen, dass das gesamte Persönlichkeitsgefüge ein Bündel von Voreinstellungen bzw. Vorurteilen ist. Unser 'Ego' beruht tatsächlich darauf, alles zu seinen Gunsten zu interpretieren.
Es ist nicht leicht, sich von dieser Art festgefügter Vorurteile zu befreien. Doch für den Weg zu spiritueller Freiheit ist es unumgänglich, diese Art von Voreinstellungen aufzulösen. Dazu muss das klare Licht der Unterscheidung in diese Bereiche des Geistes hereingebracht werden.
Tatsächlich logische Schlussfolgerungen ziehen bedeutet, fähig zu sein, innere Zustände, äußere Situationen, alle Bedingungen und Entwicklungen frei von egozentrischer Färbung zu betrachten, frei von emotionaler Betroffenheit und Motivation und den daraus entstehenden pseudorationalen Argumenten und Begründungen.
Möglich wird das allein durch die schrittweise Entwicklung innerer Losgelöstheit (vairagya), in Verbindung mit dem Prozess achtsamen inneren Erforschens (svadhyaya, atma-vicara). In diesem Prozess des Übens wird allmählich buddhi, die helle, klare Instanz des Geistes, innere Losgelöstheit und Unterscheidungsfähigkeit, stärker wirksam. Es geht also darum, all seine Einstellungen, seine Vorstellungen, Meinungen, Bewertungen und Handlungsimpulse im Licht von buddhi zu betrachten, um sie besser zu verstehen und um zu lernen, seinen Weg im Leben tatsächlich selbst zu bestimmen.
Nur auf diese Weise lässt sich allmählich die enge Identifikation mit ihnen lösen und kann der innere Standpunkt größerer Klarheit und Einsicht weiter gestärkt werden. In diesem Prozess werden sich unsere Einschätzungen und die Wahrnehmung für die Bedingungen verändern. Es entsteht allmählich ein völlig anderes Verstehen für alle Bedingungen und Entwicklungen - eine neue Art des Verstehens und eine neue Sicht auf die Welt: auf Menschen, Politik, Religionen, Entwicklungen in der Welt, wie auch auf die alltäglichen Begegnungen und Situationen.
Auf diesem Übungsweg lässt man allmählich sein enges, egozentrisches, emotional gesteuertes Denken hinter sich und findet in ein anderes Bewusstsein, ein 'anderes' Denken. Es ist ein Denken, das von innerer Erkenntnis durchdrungen und von Klarheit und einem Sinn für das richtige Tun geleitet ist. Dieses feine, kreative und spirituell inspirierte Denken ermöglicht ein Handeln frei von den rein egozentrisch motivierten Gewohnheiten.